
Von Paul Gerhard bis Manfred Siebald.
20 Lebensbilder alter und neuer Liederdichter
Friedhelm Maurer
Matthias Hilbert, pensionierter Lehrer und rühriger Autor, hat wieder ein wunderbares Buch vorgelegt, das ich wärmstens zur Lektüre empfehlen kann: „Von Paul Gerhardt bis Manfred Siebald. 20 Lebensbilder alter und neuer Liederdichter“ (Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg, 2024, 270 Seiten).
Man spürt schon auf den ersten Seiten, wie begeistert der Autor von dem geistlichen Schatz ist, der sich in den christlichen Liedern finden lässt in Lobpreis und Anbetung, Trost und Glaubensvergewisserung. Die Lieder mit ihren eingängigen Melodien sind Wegbegleiter im Leben, das Singen bereichert das eigene Glaubensleben. Viele der Liedtexte werden im Buch vorgestellt, wobei sie aus den Lebensläufen ihrer Autoren heraus beleuchtet und dadurch dem heutigen Leser in einer ganz besonderen Weise nahegebracht werden.
Matthias Hilbert trifft hinsichtlich des großen Liedschatzes eine Auswahl nach drei Kriterien: 1. Liederdichter, die dem Pietismus zuzurechnen sind, z.B. Gerhard Tersteegen, Philipp Friedrich Hiller, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, 2. Liederdichter aus dem Raum der neupietistischen Erweckungs- und Heiligungsbewegung, z.B. Johann Christoph Blumhardt oder Hedwig von Redern, und 3. die sogenannten „Liedermacher“, die seit den Siebziger-Jahren des 20. Jahrhunderts die neuen geistlichen Lieder geschrieben haben, wie z.B. Siegfried Fietz, Peter Strauch oder Manfred Siebald. Matthias Hilbert versteht sich aufs Porträtieren, wie er schon in seinem Buch über „Unvergessene Wuppertaler und oberbergische Glaubensboten“ gezeigt hat (vgl. „Info-Brief Nr. 31/2023, S.49–53).
Am Anfang steht das Porträt des wahrscheinlich größten christlichen Liederdichters aller Zeiten: Paul Gerhardt (1607–1676). Es sind Lieder, die in schwerer Not entstanden sind, denken wir nur an den Dreißigjährigen Krieg und das Wüten der Pest in seiner Zeit. Paul Gerhardt musste Leid erfahren in seiner Familie, musste vier seiner Kinder und seine geliebte Ehefrau Dorothea vor sich sterben sehen. Seine Tätigkeit als Pfarrer brachte ihm vonseiten der Gemeindeglieder viel Anerkennung ein, vonseiten der Obrigkeit aber auch eine Amtsenthebung, weil er seinem lutherischen Bekenntnis treu blieb. Hilbert fragt, worin eigentlich das Geheimnis der Tiefenwirkung und Nachhaltigkeit dieser Lieder liegt, die nun doch schon vierhundert Jahre alt sind. Eine spannende Frage – und gute Antworten dazu: lesen Sie selbst! Johann Sebastian Bach schätzte Paul Gerhardts Lieder sehr und trug durch die Aufnahme von deren Strophen in seinen Passionen und im Weihnachtsoratorium wohl zu dem bei, was Carsten Wiebusch als die „Globalisierung des Dichters“ bezeichnete. – Mir fiel schmerzlich auf, dass bei der Gesangbuch-Reform Mitte der Neunziger Jahre vom EKG zum eg ein so wunderbares Lied wie „Gott Lob, nun ist erschollen“ (EKG 392) nicht mehr in das neue Kirchengesangbuch übernommen worden ist. „Gott Lob, nun ist erschollen das edle Fried- und Freudenwort, dass nunmehr ruhen sollen die Spieß und Schwerter und ihr Mord. Wohlauf und nimm nun wieder dein Saitenspiel hervor, o Deutschland, und sing Lieder im hohen vollen Chor!“
Wahrscheinlich sah man in der Reformkommission hier zu sehr den Kontext von 1648, das Ende des Dreißigjährigen Krieges … Aber vielleicht zeichnete sich in der Entscheidung der Gesangbuch-Reformer auch schon die Verabschiedung vom Anspruch ab, Volkskirche zu sein und ins Politische hinein zu wirken.
Sehr beeindruckend auch das Leben und Wirken von Gerhard Tersteegen (1697– 1769), der zum Mittelpunkt der pietistischen Erweckungsbewegung wurde, die sich von Holland und dem Niederrhein bis ins Bergische Land und ins Siegerland und darüber hinaus erstreckte. Tersteegen hat so schöne und immer wieder gerne gesungene Lieder hinterlassen wie „Gott ist gegenwärtig“ (eg 165) und „Ich bete an die Macht der Liebe“ (eg 661,2). Er verstand sein irdisches Leben als eine Pilgerschaft zur wahren Heimat im Himmel. Dem gibt sein Lied „Nun sich der Tag geendet“ Ausdruck: „Ein Tag, der sagt dem andern, mein Leben sei ein Wandern zur großen Ewigkeit. O Ewigkeit, so schöne, mein Herz an dich gewöhne, mein Heim ist nicht in dieser Zeit.“ (eg 481,5). Auch bei Tersteegen wird sein ganzer Lebenslauf gezeichnet bis hin zu seinem Tode und seinem Vermächtnis an die Hinterbliebenen: „1. Setzt euer Vertrauen ganz auf die Gnade Gottes in Christus Jesus. 2. Liebet euch untereinander. 3. Wachet und betet.“ (S.43).
Philipp Friedrich Hiller (1699–1769) grenzte sich in seinem Wirken von der rationalistischen Theologie ab. Sein berühmtes Werk ist das „Geistliche Liederkästlein“, ein Andachtsbuch für jeden Tag des Jahres. Er verarbeitete sein Leiden, den Verlust der Stimme, in seinem Glauben an Jesus: „Es jammre, wer nicht glaubt! Ich will mich stillen; mir fällt kein Haar vom Haupt ohn Gottes Willen. In Jesu hab ich hier dass beste Leben; und sterb ich, wird er mir ein bessres geben … So wein ich, wenn ich wein, doch noch mit Loben; das Loben schickt sich fein zu solchen Proben. Mann kann den Kummer sich vom Herzen singen.“ Philipp Friedrich Hiller wurde zu einem der bedeutendsten protestantischen Kirchenliederdichter, der Lieder hinterlassen hat wie „Jesus Christus herrscht als König“ (eg 123), „Mir ist Erbarmung widerfahren“ (eg 355) oder „Wir warten dein, o Gottes Sohn“ (eg 152).
Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) zählte als Reichsgraf zum Hochadel. Sein Großvater hatte aus Glaubensgründen das katholische Habsburgerreich verlassen. Matthias Hilbert erzählt die Geschichte, wie es schließlich zur Gründung der „Brüdergemeine“ in Herrnhut kam, einer Flüchtlingskolonie ehemals, in der es erst einmal Streit zu schlichten und für Toleranz zu werben galt, bis es dort „heitere Erlösungs- und Heilandsfrömmigkeit“ gab mit einem reichen musikalischen Gemeinschaftsleben. Zinzendorf soll über 2000 Lieder und Gedichte verfasst haben, die bekanntesten sind wohl „Herz und Herz vereint zusammen“ (eg 251) und „Jesu, geh voran auf der Lebensbahn“ (eg 391). Er verstand die Herrnhuter Brüdergemeine als „ecclesiola in ecclesia“, doch daraus entwickelte sich eine Freikirche, die eine rege Missionstätigkeit entwickelte und bis zum heutigen Tag die täglichen Losungen herausgibt.
Charles Wesley (1707–1788) war der jüngere Bruder von John Wesley, dem Gründer der methodistischen Bewegung, er war das achtzehnte Kind im Kreise von 19 Geschwistern und kam als Frühgeburt zur Welt, zwei Monate zu früh, in einer Zeit noch ohne Brutkasten. Er überlebte auch einen Brand im Pfarrhaus, wurde gerettet, erlebte Erweckung wie auch geistliche Krisen, sah, wie Menschen sich veränderten, wenn sie in Evangelisationen angesprochen wurden, ihren Lebenswandel als Trunkenbolde und Schläger aufgaben und Jesus Christus nachfolgten. Wesleys Lieder erlangten große Popularität, hatten eine hohes hymnologisches Niveau. Georg Friedrich Händel vertonte drei Lieder von ihm. Im eg (564) findet sich nur ein Lied von ihm, mit deutschem Text von 1972 nach seinem Lied „Christ the Lord is ris’n today“ aus dem Jahr 1741.
Zu Matthias Claudius (1740–1815) gibt es viele Biographien, aus denen Matthias Hilbert bei der Abfassung seines Buches schöpfen konnte. Matthias Claudius ist sehr bekannt, denn er hat das wohl beliebteste deutsche Volkslied geschrieben: „Der Mond ist aufgegangen“, das Gott sei Dank auch im eg aufgenommen ist (482). Ein Lied von Gemütstiefe, zeitlos schöner Schlichtheit und zeitlos gültiger Wahrheit. Auch hier kann man nur ermuntern, das Buch zu lesen, das viel von diesem „christlichen Romantiker“ erzählt, der immer wusste … „es gibt was Besseres in der Welt als all ihr Schmerz und Lust“.
„Dass Jesus siegt, bleibt ewig ausgemacht“ – Johann Christoph Blumhardt (1805–1880), der schwäbische Pietist, wirkte viele Jahre segensreich in Bad Boll als Seelsorger mit einem einfachen, fast kindlichen Glauben ans Bibelwort. Es ging ihm um gelebte Nachfolge Jesu im Kampf gegen die Mächte der Finsternis. So schrieb er glaubensstarke Sieges- und Hoffnungslieder, von denen immerhin jenes eben zitierte im aktuellen Gesangbuch (eg 375) Aufnahme gefunden hat.
Die nächste Liederdichterin, Fanny Crosby (1820–1915), ist vielleicht weniger bekannt, von ihr gibt es kein Lied im eg, dabei war sie außergewöhnlich produktiv mit ihrem poetischen Talent, mit über 8000 (!) Liedern wurde sie zur „Queen of Gospel Song Writers“. Als Kind verlor sie durch einen Pfuscher, der sich als Arzt ausgab, ihr Augenlicht. Ihre Oma kümmerte sich voller Liebe um ihr hochintelligentes Enkelkind, brachte ihm die Bibel und das Gebet nahe.
Julie Hausmann (1826–1901) wurde vor allem bekannt über ihr Lied: „So nimm denn meine Hände“. Zeit ihres Lebens war sie von schweren chronischen Krankheiten, von Kopfschmerzen und Schlafstörungen geplagt. Ihre Freundin machte ihre Gedichte bekannt. Die leicht singbare, volkstümliche Melodie von „So nimm denn meine Hände“ verdankt sich einer Weise des schwäbischen Sängervaters Friedrich Silcher. Manche Theologen verschmähen dieses Lied bis heute, doch es hat eben auch heute seine „Fans“, weil es Trost spendet in Anfechtungen, wie weiland schon der Großherzogin Luise von Baden … „wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele, auch durch die Nacht“ (eg 376,3).
Auch Matthias Hilbert muss es offen lassen, ob die Geschichte so stimmt, die erzählt, Julie Hausmann sei mit einem Missionar verlobt gewesen, dem sie ins Missionsland nachgereist sei, um dort mit ihm gemeinsam zu wirken, jedoch bei ihrer Ankunft habe erfahren müssen, dass ihr Bräutigam kurz zuvor an einer heimtückischen Krankheit gestorben sei.
Aus dem Bereich der Gemeinschaftsbewegung und der Freikirchen kommt Ernst Heinrich Gebhardt (1832–1899), der ein so schönes Lied wie „Welchen Jubel, welche Freude bringt die liebe Weihnachtszeit!“ hinterlassen hat. Es ist schön, dass Matthias Hilbert auch erweckliche Glaubenslieder mit ihrer Inspiration aus dem angloamerikanischen Raum vorstellt. 1879 entstand unter Gebhardts Initiative der überkonfessionelle „Christliche Sängerbund“. Er dichtete Schlager seiner Zeit in Heilslieder um, was ihm manche Kritik einbrachte, bei vielen Menschen aber auf Begeisterung stieß.
Mit Eleonore Fürstin von Reuß (1835–1903), deren Bruder Otto zu Stolberg-Wernigerode unter Otto von Bismarck Vizekanzler war und beim Aufstieg Preußens eine nicht unbedeutende Rolle spielte, wird eine Liederdichterin aus dem Adel vorgestellt, die stark von drei Frauen geprägt war: ihrer Mutter, ihrer Erzieherin und ihrer Freundin Marie Nathusius, einer Schriftstellerin, die achtzehn Jahre älter war als sie. E. v. Reuß hat das Lied geschrieben: „Ich bin durch die Welt gegangen“, dessen fünf wunderbare Strophen im Buch von Hilbert abgedruckt sind. Leider findet sich dieses Lied nicht im Evangelischen Gesangbuch, wohl aber das Lied „Das Jahr geht still zu Ende, nun sei auch still mein Herz!“ (eg 63). Am Ende ihres Lebens trat bei ihr eine schwere Depression auf. 1903 wurde sie heimgerufen, auf ihrem Grabstein steht der Paul-Gerhardt-Vers: „Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ; das, was mich singen machet, ist, was im Himmel ist.“
Den ersten Teil seines Buches, Liederdichter aus dem 17. bis 20. Jahrhundert, schließt Matthias Hilbert mit dem Porträt von Hedwig von Redern (1866–1935) ab. Sie schrieb den Text des Liedes „Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl“ (eg 650). Als nach dem ersten Weltkrieg in Riga vorübergehend die Bolschewiki an die Macht kamen und leitende Beamte, Pastoren, Gutsbesitzer und Adlige als die Hauptfeinde des Kommunismus in Gefängnisse warfen, wurden den Gefangenen dieses Lied, von der mitinhaftierten 22-jährigen Sängerin Marion von Klot gesungen, zum Trost. Ein Tag später wurden sie und über dreißig Mitgefangene auf dem Gefängnishof erschossen. Hedwig von Redern selbst blieb auch nicht von Schicksalsschlägen verschont, als 19-Jährige überlebte sie nur knapp eine Scharlacherkrankung, ein Jahr später starb plötzlich und unerwartet ihr geliebter Vater und wiederum ein Jahr später brannte der Gutshof ihrer Familie ab. Die Mutter, der die Mittel zum Wiederaufbau fehlten, zog in eine Stadtwohnung nach Berlin. So kam auch Hedwig nach Berlin, lernte dort bei einer Evangelisation Elias Schrenk kennen und kam so zu ihrem Engagement in der Missionsarbeit der Erweckungsbewegung.
Im zweiten Teil der Lebensbilder wendet sich Matthias Hilbert neuzeitlichen „Liedermachern“ zu, die allesamt im 20.Jahrhundert geboren sind. Seine Auswahl fällt auf Theo Lehmann (geboren 1934), Peter Strauch (1943), Siegfried Fietz (1946), Jörg Swoboda (1947), Manfred Siebald (1948), Arno Backhaus (1950), Jürgen Werth (1951) und Christoph Zehender (1961). Auch hier überzeugt der Autor wieder darin, ihr Schaffen – aus dem Dichten wurde dem Geist der Zeit entsprechend ein „Machen“ –, aus der jeweiligen Biographie heraus zu verstehen, es in die Zeit und Lebensumstände einzuordnen. So wird auch ein ganzes Stück Zeitgeschichte erzählt.
Theo Lehmann wuchs noch in der Nazi-Diktatur auf, musste dann die Diktatur in der DDR erleiden. Als notorisch unangepasster Pfarrer, Jugendevangelist und eben „Liedermacher“, war er der Stasi ein Dorn im Auge, zudem war er vielen Pfarrkollegen in seiner Bibeltreue zu fromm. Musikalisch wurde er vom US-amerikanischen Jazz, von Blues und Negrospirituals inspiriert. Seine Jugendgottesdienste fanden großen Zuspruch. Er wollte, dass junge Menschen Jesus kennenlernen. Man darf behaupten, dass der Mauerfall in der Hoffnung des Glaubens in seinen Liedern vorweggenommen wurde. Ein System der Lüge kann nicht ewig bestehen, es musste fallen. Dabei spielten gerade Christen eine wichtige Rolle, die sich in der Nachfolge Jesu dem Totalanspruch des Unrechtsstaates DDR widersetzten.
Mit Peter Strauch stellt Hilbert einen Mann vor, der mitten im 2. Weltkrieg geboren wurde, der Vater war Soldat an der Ostfront. Nach dem Krieg schloss sich die Familie einer freikirchlichen Gemeinde an. Peter Strauch machte zunächst eine Lehre zum Werkzeugmacher, folgte dann aber dem Ruf, Prediger des Evangeliums zu werden. Im Kontakt und Austausch mit anderen Liederdichtern war es immer sein Anspruch, gehaltvolle, aussagestarke Texte zu schreiben, Er schätzte das traditionelle Liedgut, suchte aber für die neue Zeit, das neue geistliche Lied, originäre und unverwechselbare Melodien. Aus seiner Feder stammen die wunderbaren Lieder: „Meine Zeit steht in deinen Händen“ (so auch der Titel seiner Autobiographie) und „Herr, wir bitten: Komm und segne uns“ (eg 607).
Siegfried Fietz ist durch seine Vertonung des Bonhoeffer-Gedichtes „Von guten Mächten“ (eg 652) bekannt geworden. Seine Melodie wurde in den Gottesdiensten immer häufiger gesungen und schließlich mehr als die Fassung von Otto Abel aus dem Jahre 1959. Siegfried Fietz gilt als der Wegbereiter der modernen christlichen Musik in Deutschland. Er gründete mit dem „Fietz-Team“ Mitte der 60er Jahre eine eigene Band, die mit dem Einsatz von Elektro-Gitarren und Schlagzeug junge Menschen begeisterte. Er wurde zum Schallplatten-Produzenten und förderte viele junge Künstler. Er schrieb Oratorien und war weltweit auf Konzertreisen. Der Umfang seines Werkes ist gewaltig: er vertonte über 4000 Lieder und veröffentlichte bei seinem Musikverlag ABAKUS über 200 Alben (Stand 2023). Er weiß, dass viele der neuen Lieder, so schnell sie erlernt sind, auch schon wieder vergessen sind, dass nur wenige als Edelsteine überleben werden. Siegfried Fietz ist auch als Bildhauer tätig.
Auch Jörg Swoboda ist in der DDR aufgewachsen und musste sich mit dem totalitären Machtsystem und seiner unduldsam vertretenen sozialistischen und atheistischen Weltanschauung auseinandersetzen. Seine christliche Sozialisation vor allem durch seine Mutter gab ihm Kraft, sich auch unter schwierigen Bedingungen zu behaupten. Sein Bekenntnis zu Jesus Christus wurde ihm schon in der Schule zum Nachteil. In einer Baptistengemeinde fand er Wärme. Seine Lieder galten nach den Stasi-Akten wegen ihres Pazifismus als Schwächung der Verteidigungsbereitschaft der DDR. Sein Nicht-Angepasst-Sein ist Konsequenz seines Glaubens: Pastoren sollen Menschen nicht nach dem Mund regen, sondern Mund Gottes sein. Einen ganz persönlichen Hintergrund hat sein Lied „Ich danke dir, denn dieses Kind bin ich“, und lässt verstehen, wieso er entschiedener Gegner von Abtreibung ist.
Von Manfred Siebald stammen herzanrührende Lieder wie „Geh unter der Gnade“ oder „Ins Wasser fällt ein Stein“ (eg 659) … „wo Gottes große Liebe in einen Menschen fällt, da wirkt sie fort in Tat und Wort hinaus in unsere Welt“. Schon in seiner Kindheit erfuhr er in seiner Familie die positiven Auswirkungen des Glaubens. Er studierte Amerikanistik und setzte sich in seiner Studentenzeit mit den marxistischen Parolen auseinander. Eine Frucht daraus ist sein „Kreuzschnabel-Lied“, in dem er die Legende vom Kreuzschnabel-Vogel vertonte. Er wurde Professor für Amerikanistik an der Uni Mainz, hatte Auftritte bei Großveranstaltungen, u.a. mit dem amerikanischen Evangelisten Billy Graham.
Seine Lieder versteht er als gesungene Predigten, Gebete oder moderne Psalmen, in denen er die Botschaft von der Liebe Gottes lebensfroh, unaufdringlich und mit feinsinnigem Humor weitergeben möchte.
Arno Backhaus wurde in seinem Wirken geradezu ein christlicher Entertainer, der sich selbst als „begeisterter AD(H)Sler“ bezeichnete. Er erlebte eine turbulente Kindheit und Jugend, verfasste aufgrund seiner Erfahrungen das Buch: „Ach du Schreck! ADS. Vom Chaoskind zum Lebenskünstler“. Er begriff, dass Jesus ihn liebte und dass diese Liebe bei ihm viele positive Veränderungen bewirkte. Er holte die Mittlere Reife nach, machte Fachabitur, studierte Sozialarbeit und leitete in Kassel über mehrere Jahre einen viel gelobten innovativen Abenteuerspielplatz für Kinder. Andreas Malessa lud ihn ein, in der Band „Initiative Junger Christen“ mitzumachen, christliche Popmusik mit deutschen Texten. Später wurde daraus „Arno & Andreas“, ein „Mix aus Tiefgang und Klamauk, Ernsthaftigkeit und Humor, ein Duo, das viele Konzertanfragen erhielt, zu dem sich dann auch noch als Begleitband die „Dieter-Falk-Band“ dazugesellte mit Dieter Falk als Keyboarder, Martin Stoeck als Schlagzeuger, Dieter Roesberg als Gitarrist und Folker Albrecht als Bassist.
Den Beitrag zu Jürgen Werth überschreibt Matthias Hilbert: „Früh gereift und vielseitig begabt“. Werths Vater war Alkoholiker, was die Familie schwer belastete. Ein Pastor der Freien Evangelischen Gemeinde brachte Hilfe in die Familie mit der Einladung zum Glauben an Jesus. Werths Vater starb früh an Lungenkrebs. Das Lied „Gott gab dich nicht auf“ reflektiert die unendliche Liebe und Geduld Gottes. Jürgen Werth arbeitete zunächst bei der Stadtverwaltung in Lüdenscheid als Inspektorenanwärter, machte dann aber noch das Abitur auf einem humanistischen Gymnasium nach, sein Pastor half ihm bei Latein, brachte ihm sogar Hebräisch bei, so dass alle Voraussetzungen für ein Theologiestudium gegeben waren. Doch dann entschied er sich für den Journalismus, um als Christ in diesem Beruf zu dienen. Er kam schließlich zum Evangeliums-Rundfunk, leitete dort das Jugendprogramm, wurde 1986 Chefredakteur, ab 1994 in der Nachfolge von Horst Marquardt Direktor und ab 2007 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2014 Vorstandsvorsitzender des christlichen Senders. Von Jürgen Werth, der zunächst als Gymnasiast Protestsongs schrieb, dann Glaubenslieder als Protest im Sinne von Glaubenszeugnis, stammt das Lied: „Vergiss es nie: Dass du lebst war keine eigene Idee“, dessen Melodie von Paul Janz stammt. Ein Lied, das bei unzähligen Taufgottesdiensten seinen Sitz im Leben gefunden hat.
Den Reigen der Lebensbilder christlicher Liederdichter beschließt Matthias Hilbert (erst einmal – Band 1 im Untertitel lässt auf eine Fortsetzung hoffen!) mit Christoph Zehender, dem Jüngsten der Vorgestellten, 1961 geboren. Auch Zehender hat eine Fülle von Liedern veröffentlicht, über 300 heißt es. Sein Konfirmationsspruch „Denn einen andern Grund kann niemand legen, als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ (1.Korinther 3,11) begleitet ihn auf seinem Lebensweg. Über den Evangeliums-Rundfunk und den Hessischen Rundfunk kam er schließlich zum Südwestdeutschen Rundfunk nach Stuttgart, wo er 16 Jahre lang als Hörfunkjournalist tätig war. Er war nicht nur Vollblutjournalist, sondern auch Theologe mit dem Magisterabschluss seines Studiums der Evangelischen Theologie an der Marburger Philipps-Universität. Er schied freiwillig aus seinem Beruf, um sich mit seiner Frau Ingrid, einer Kunsttherapeutin, einer Klostergemeinschaft anzuschließen. Gesundheitliche Probleme, ein Tinnitus-Leiden, eine Krebserkrankung, schmerzhafte Bandscheibenvorfälle, warfen ihn auf den Trost aus seinen eigenen Liedern zurück, die er zu sich sprechen ließ. Seine Lieder versteht er so, dass sie „Fenster öffnen in die Bibel, hin zu der Begegnung mit Gott. Dass sie dazu Mut machen“. Sein 2015 erschienenes Album „Ganz bei Trost“ zeigt seine große Nähe zur Bibel. Für sein 2022 herausgebrachtes Album „Unfassbar“ wählte er das Markus-Evangelium, dessen inhaltliche Dichte ihm gefiel. Sein Ziel: Die Menschen, die seine Lieder hören, neugierig zu machen auf dieses Evangelium und die Begegnung mit Jesus darin.
Das Ziel meiner Buchbesprechung ist erreicht, wenn Sie nun neugierig auf das Buch von Matthias Hilbert geworden sind! Nur andeutungsweise, mit einigen Stichworten, sehr selektiv gewählt aus der Dichte des Dargebotenen, konnte ich versuchen, aufmerksam zu machen auf die Biographien aller 20 vorgestellten Autorinnen und Autoren. Matthias Hilbert gelingt es, den ganzen Reichtum eines christlichen Glaubenslebens zu entfalten, das Menschen, gerade auch in schwierigen Lebensumständen, dichten und singen lässt.