Dokumentation

Wortmeldung des Pfarrvereins der EKBO in der Sache Martin Michaelis (1. März 2023) - siehe Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden

 

Sehr geehrte Geschwister im Vorstand und im Pfarrverein Bayern, 

  

Der Vorstand des Pfarrvereins EKBO hat zur Kenntnis genommen, dass es infolge der umstrittenen Teilnahme des langjährigen Vorsitzenden des Thüringer Pfarrvereins, Bruder Martin Michaelis, an einer Protestveranstaltung gegen die Coronapolitik zu seiner Abwahl als Vereinsvorsitzender gekommen ist. 

  

Zum Inhalt seines Auftritts am 05.12.2021 können wir trotz genauer Kenntnis nicht viel sagen. Soweit es eine Andacht war, gilt die Freiheit der Verkündigung. Die Abwahl ist einzig eine Angelegenheit des Thüringischen Vereins. 

  

In seinem im bayerischen Dezember Korrespondenzblatt veröffentlichten Herbstbericht forderte aber kürzlich der stellvertretende bayerische Vereinsvorsitzende, Bruder Daniel Tenberg, dass Bruder Michaelis auch aus dem Vorstand des Verbandes der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland ausgeschlossen werden soll.  

  

Diese Forderung berührt rein formal alle Mitgliedsvereine des Verbandes, zumal der Verband dieses Thema tatsächlich auf seine Tagesordnung für März 2023 gesetzt hat. 

  

Wir möchten dieser Forderung für den Pfarrverein EKBO entschieden widersprechen. Der Verbleib eines ausgeschiedenen Vereinsvorsitzenden im Verbandsvorstand „widerspricht der Satzung des Pfarrverbandes“ keineswegs. Die Mitglieder des Verbandsvorstandes wurden in einer Mitgliederversammlung des Verbandes persönlich gewählt und nicht aus den Vereinen delegiert. Der Verband „protegiert“ durch das Einhalten seiner Satzung deshalb keine „Person mit rechtspopulistischem Hintergrund“. 

  

Eine Schädigung des Verbandes ist für uns nicht erkennbar. Bei uns ist wegen der Sache niemand ausgetreten. Ohne den konkreten Nachweis eines Schadens ist nach der Verbandssatzung nicht einmal eine Abwahl durch eine Mitgliederversammlung zulässig. 

  

Statt einen konkreten Schaden auch nur zu erwähnen, stellt Bruder Tenberg den geforderten Ausschluss lediglich als Akt der „Hilfe“ für den Thüringischen Pfarrverein dar, der zurzeit „in einer tiefen Krise steckt“ und dieser Art Hilfe „dringend bedarf“. Im unmittelbar nächsten Satz heißt es: 

 

„Bilateral haben viele Vereine (so auch wir) den Thüringern Solidarität und Unterstützung angeboten."

 

Auch wir sind mit den Thüringern solidarisch, sehen aber nicht, wie Ihnen ein rechtlich fragwürdiger Rauswurf von Pfr. Michaelis aus dem Verbandsvorstand helfen würde. Wir sind übrigens nicht gefragt worden, können also mit „viele Vereine“ nicht gemeint sein. Und wären wir gefragt worden, hätten wir erklärt: Bei uns werden abweichende Meinungen toleriert. Sie sind für uns kein Grund, jemanden aus unserem Vorstand auszuschließen, auch nicht aus dem Verbandsvorstand.

 

Unser Vorstand kann nicht alle Äußerungen von Martin Michaelis nachvollziehen oder gutheißen. Wer vor Verfassungsgegnern die Freiheit der Andersdenkenden predigt und Zustimmung erntet, hat offenbar etwas falsch gemacht. Verirrte, verwirrte, enttäuschte und verletzte Mitmenschen dürfen wir nicht von Kritik verschonen, aber auch nicht abschreiben. Überreaktionen auf die Äußerungen und Auftritte von Bruder Michaelis heißen wir deshalb ebenfalls nicht gut. Da unser Verein zum großen Teil Mitglieder hat, die in DDR-Zeiten in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt waren, halten wir es gern mit Voltaire: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.“ 

 

Auch wir sehen mit Sorge, dass die vor 34 Jahren hart erkämpfte Freiheit in einer zunehmenden gesellschaftlichen Polarisierung unter Rückzug in Parallelwelten und Filterblasen wieder verloren geht und Man mancherorts schon dann "in rechten Kreisen unterwegs“ ist, wenn man aus der Tür geht. Jeder dritte, dem man draußen begegnet, würde in Thüringen im Moment eine äußerst rechte Partei wählen – und etwa genauso viele das äußerst linke Gegenstück. 

 

Gerade in dieser Lage sollten wir als Christinnen und Christen in Wort und Tat den Wert des Gespräches an sich hervorheben. Warum sollte man nur dann miteinander sprechen, wenn man sich einig ist? Hier hat die Kirche eine gesamtgesellschaftliche Vermittlungsaufgabe, die quer zu den gesellschaftlichen Trends steht. Aber genau darum ist sie nicht allein der Welt, sondern umso mehr im Umgang untereinander schuldig, das aufrichtige, bisweilen auch unbequeme, aber immer geduldige Gespräch zu suchen. 

  

Wir wünschen uns vom Vorstand des Verbandes, dass er in diesem unbequemen Sinn deeskalierend tätig wird und er sich dabei strikt an die Ordnungen hält. Wahlen und Abwahlen sind Sache der Mitgliederversammlung. 

 

Mit geschwisterlichen Grüßen! 

Der Vorstand des Pfarrverein EKBO