Bericht aus einem deutschen Krankenhaus

Hans-Alex Thomas

 

Zur Vorgeschichte

 

Am 22. Februar 2021 stürzte ich morgens schwer in unserem Treppenhaus und prallte mit dem Kopf gegen die gegenüberliegende Wand. Ich lag auf dem Boden, und es entstand eine dicke Beule auf der Stirn plus ein großes Hämatom bis unters Auge.

 

In der Unfallchirurgie wurde eine Computertomographie des Kopfes gemacht. Obwohl ich blutverdünnende Mittel nehme, wurden glücklicherweise keine inneren Blutungen festgestellt, so dass ich erst einmal erleichtert noch am selben Tag wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte und dachte mit einem „blauen Auge“, leichten Rückenschmerzen und einer etwas verbogenen Brille davon gekommen zu  sein.

 

Jedoch wurden nach 1-2 Tagen die Rückenschmerzen immer stärker.

 

In manchen Sitz- und Liegepositionen war es halbwegs erträglich.

 

Um der Schmerzursache auf den Grund zu gehen wurde ich am 26. Februar in die  Klinik eingewiesen. Ein CT vom Rücken sollte gemacht werden. Der hausärztliche Verdacht, dass evtl. was gebrochen sein könnte, bestand. So ging es am selben Tag, nachmittags, wieder mit dem Krankenwagen in die Notaufnahme. Durch die starken Schmerzen, war eine andere Transportmöglichkeit wie Auto oder Taxi nicht mehr möglich. Allerdings entschied sich der diensthabende Arzt der Notaufnahme, doch nur eine Röntgenaufnahme zu machen.

 

Das Ergebnis: keine sichtbaren Brüche. Die Schmerzen blieben.

 

Abends spät aus der Klinik entlassen, ging es erneut mit dem Krankenwagen zurück nach Hause.

 

Das lange Liegen im Krankenhaus, das tagelange wenige Esssen und der ungefederte Krankenwagentransport, nahmen mich sehr mit. Jede Straßenunebenheit erschütterte meinen Körper.

 

Kaum zu Hause angekommen, sackte der Kreislauf weg.

 

Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen bestimmten die folgende Zeit.

 

Da trotz verschiedener starker Schmerzmittel keinerlei Schmerzlinderung eintrat, wurde ich schließlich am 15. März 2021 von der Hausärztin zu einem Röntgeninstitut überwiesen, um durch eine CT die Rückenbeschwerden abzuklären.

Dort wurde festgestellt, dass ein Lendenwirbel mit Hinterkantenbeteiligung gebrochen war.

 

Der Radiologe sprach von verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten.

 

Eine größere OP kam seiner Meinung nach aufgrund meines hohen Alters (fast 90) nicht mehr in Frage. Alles Weitere sollte die Hausärztin entscheiden. Mit dem Krankenwagen (nach drei Stunden Wartezeit) ging es also wieder nach Hause.

Nachdem die Hausärztin den radiolog. Bericht gelesen hatte, erklärte sie uns die Dringlichkeit, einen Krankenwagen mit „Spezialmatratze“ Richtung Klinik zu rufen, da wegen des diagnostizierten Bruches bei falscher Bewegung die Gefahr einer Querschnittslähmung bestehen würde.  

 

So ging es am Nachmittag des 15. März wieder in die Notaufnahme.

 

Im Krankenhaus I

 

Die Aufnahmeprozedur dauerte sehr lange, auch wegen der notwendigen Corona-Sicherheitsvorkehrungen. Gegen 16 Uhr war ich eingetroffen und erst abends, gegen 22 Uhr, kam ich auf die Station. Und zwar in ein Drei-Bett-Zimmer, wo ein dauerndes Kommen und Gehen herrschte, auch nachts. Ständig wurde laut gesprochen und telefoniert.

Einmal landete ein Mann neben mir im Krankenzimmer, der sich bei einer polizeilichen Festnahme wehrte und dabei das Knie brach. Er schrie im Zimmer. Nachts packte er gegen die Vorschriften seine Zigaretten aus und fing im Bett an zu rauchen. An Ruhe und Schlaf war nicht zu denken. Dabei hatte ich schwerwiegende Probleme zu bewältigen und fand schon deshalb keinen Schlaf.

 

Die Ärzteschaft war nach meinem Eindruck größtenteils ausländischer Herkunft, arbeitete aber gut und professionell zusammen. Chef war ein Professor mit fremdländischem Namen, der Leitende Oberarzt ein sehr netter, zugänglicher und hochprofessioneller Serbe. Beide haben mich später operiert.

 

Die Mehrheit der Schwestern und Pfleger, aus verschiedenen Nationen, waren nett und meist bemüht, bewegten sich aber aufgrund großen Personalmangels nur im Laufschritt.

Den Pflegenotstand spürte ich hautnah.

 

Zunächst wollte man mich auch im Krankenhaus nicht operieren, zu risikoreich, zu alt, zu viele Vorerkrankungen. Die Entlassung war schon beschlossene Sache.

 

Dann folgte ein ständiges Hin und Her möglicher Therapieüberlegungen.

Das schwankende Behandlungsvorgehen verunsicherte nicht nur mich, sondern auch meine Angehörigen.

Als durch weiteres Röntgen festgestellt wurde, dass der Wirbel sich gesenkt hatte, beschlossen die Chirurgen, doch zu operieren. Und zwar unter hohem Risiko.

 

Nach einem OP-Vorbereitungsgespräch auf der Orthopädie, alles war schon unterschrieben, teilte mir anschließend die Anästhesistin mit, dass die geplante OP für den folgenden Tag doch wieder abgesagt werden müsste, da die Blutwerte zu schlecht wären. Laut Anästhesistin kann/darf bei solchen Werten nicht operiert werden. 

 

Inzwischen schon körperlich und psychisch fertig, hieß es dann auf einmal ein Tag später doch wieder OP!?

In meinen Rücken wurde schließlich ein Wirbel mit Zement gefüllt und 4 weitere Wirbel mit Schrauben und Stäben befestigt.

 

Hinterher hieß es, die Operation sei „sehr gut“ gelungen, aber „sehr groß“ gewesen. Deutlich größer als vorher erwähnt.

Die Begründung für die Entscheidung lautete so:

 

Ich wäre zwar 90 Jahre alt, hätte aber den Geist eines 70jährigen. Man wollte verhindern, dass der Geist unter den dauernden Schmerzen auch noch verkümmern würde.

 

Ich bin dem Chefarzt, dem Oberarzt, der die Operation wohl hauptsächlich durchgeführt hatte, und dem erfahrenen älteren deutschen Anästhesisten sehr, sehr dankbar für ihre Entscheidung.

 

Im Pflegeheim

 

Krankenhäuser müssen heute wirtschaftlich arbeiten. Sobald der Arzt sein Fachgebiet einigermaßen abgearbeitet hat, muss man raus. Notwendige Überweisungen in eine andere Abteilung innerhalb desselben Krankenhauses schienen unmöglich. So ging es auch mir. Am 19. März wurde ich operiert, am 26. März mit nach wie vor zu schlechten Blutwerten (wie wir im Nachhinein erfuhren) entlassen, anstatt mich in eine andere Abteilung zu überweisen.

 

Wie schlecht die Werte wirklich waren, erfuhr ich erst später durch Lesen des Entlassungsberichtes.

 

Aber wohin?

 

In mein schönes Wohnhaus konnte ich nicht mehr zurück, da es nicht alters- und behindertengerecht war und ich z.B. nicht Treppensteigen konnte. Doch dem guten Sozialdienst des Krankenhauses gelang es tatsächlich und wunderbarerweise, ein Doppelzimmer in einem guten, katholischen Pflegeheim in der Nähe unseres Wohnhauses aufzutreiben. Dahin wurde ich mit dem Krankenwagen eingeliefert und meine liebe Frau, die auch nicht alleine zurückbleiben konnte, zog zu mir.

Es ergaben sich aber erhebliche, fast unlösbare finanzielle Probleme. Wie sollten die hohen Kosten für das Pflegeheim bezahlt werden? Wie sollte  der überaus bürokratische Kampf mit der Privatkasse um die Erhöhung der Pflegestufe durchgeführt werden?

 

Hätte meine liebe Tochter aus einer fernen Stadt nicht für März und April unbezahlten Urlaub genommen, wäre ich mit den zahlreichen, detaillierten bürokratischen Problemen niemals fertiggeworden.

Von morgens bis abends musste sie für mich kämpfen.

 

Mein lieber Sohn arbeitet die Woche über in einer anderen Großstadt, nur am Wochenende konnte er einen Teil der Aufgaben übernehmen.

 

Ich bin an sich auf dem Papier nicht arm. Ich besitze meine schöne Doppelhaushälfte und sogar noch mein 1954 wiederaufgebautes, elterliches Miethaus mitten in der Stadt, das allerdings viele Sanierungskosten verschlingt und mit 2 höheren Hypotheken belastet ist. Der Staat erwartet, dass man ein solches Eigentum verkauft, um damit die Pflegekosten zu finanzieren.

 

Wenn man das aber tut, hat man vielleicht viel Geld auf dem Konto, muss aber dafür heute erhebliche Negativzinsen bezahlen. Und da die Zukunft des Geldes sehr ungewiss ist, könnte es sein, dass am Ende Haus und Geld weg sind. Auf diese Weise wird die Wiederaufbaugeneration, die Deutschland durch harte Arbeit  zu Wohlstand verhalf, wieder auf Null gebracht. Auf ähnliche Weise hat meine Familie in der Inflationszeit ein großes Vermögen verloren. Kein Mensch geht heute aus den Sachwerten heraus und ich sollte das tun?

 

Am besten ist man dran, wenn man ein Sozialfall ist, dann übernimmt der Staat alles.

 

Auch die private Krankenversicherung mit angegliederter Pflegeversicherung und Beihilfe ist ganz schön, wenn man jung ist. Im Alter ist sie nur ungeheuer stressig und überbürokratisiert.

 

Im Pflegeheim war das Personal, das auch aus aller Herren Länder stammte, sehr lieb und freundlich. Auch hier herrschte Pflegenotstand, doch merkte man das nicht so, weil ein guter Geist herrschte. Doch war auch hier eine Nachtschwester für 60 Pflegefälle zuständig. Auf meine Frage hin sagte mir die polnische Nachtschwester, in Polen ginge es nicht so unmenschlich zu. Auch zwei Mohammeds hatten wir. Der eine, ein ganz lieber, stammte aus Ägypten, der andere studierte eigentlich Ingenieurwissenschaften und verdiente sich durch die Pflegestelle etwas hinzu. Er bereute es, nach Deutschland gekommen zu sein. In seinem Heimatland Jordanien sei es besser.

 

Mit den Schwestern habe ich viele und bereichernde Gespräche geführt. Z. B. mit der pflichtbewussten „Preußin“ aus dem Masurenland, der stolzen Atheistin aus Aserbaidschan, eigentlich eine „Wirtschaftsingenieurin“, die mir ihre Sichtweise auf die Situation um Berg-Karabach und Armenien erläuterte, mit den herzlichen Polinnen, die in Polen nicht genug verdienten, um leben zu können, mit den Russlanddeutschen aus Kasachstan, mit der portugiesisch-spanischen Altenpflegeschülerin, die der Liebe wegen in Deutschland war oder auch der christlichen Schwester aus Kerala/Indien. Da könnte ich viel  erzählen. Sie alle waren mir dankbar für mein persönliches Interesse an ihnen und hielten mich deshalb für einen „guten Menschen“. Ich lernte dabei, dass wir im Kern alle ziemlich gleich sind. Die verschiedenen Religionen und Umstände sind das aber keineswegs.

 

Nach ein paar Tagen im Heim waren die Blutwerte, die durch eine erneute Blutprobe kontrolliert wurden, weiterhin so schlecht, dass ich am 31. März 2021 wieder dringlichst ins Krankenhaus musste, diesmal auf die Innere Abteilung/Kardiologie desselben Krankenhauses. Ich hatte Blutarmut, Natriummangel und viel Wasser in der Lunge, weil das Herz diese große Operation nicht so einfach bewältigen konnte. Der Körper musste um mehrere kg entwässert werden.

 

Im Krankenhaus 2

 

Nach einer einer langen und sehr gewissenhaften Voruntersuchung durch einen arabischen Arzt kam ich diesmal schneller auf die Station und zwar diesmal in das einzige Zweibettzimmer. Hier traf ich zu meiner Freude auf einen gleichaltrigen, lieben Kollegen aus früheren Zeiten, was wir beide als göttliche Fügung empfanden.

 

Der Kollege hatte noch wenige Tage vorher auf seinem Balkon Choräle und Abendlieder für die Nachbarschaft gespielt. Nach dem letzten Lied packte er noch seine Trompete ein, dann brach er zusammen.

 

Im Krankenhaus hatte er mehrere Herzstillstände, aber zwischendurch erzählten wir wieder viel und entdeckten viele Gemeinsamkeiten.

 

Am Ostersonntag spielte sein Posaunenchor auf der Straße für ihn Osterchoräle. Aber die Aktion gelang nicht ganz, da die Schwestern die Fenster nicht aufbekamen. Immerhin konnten wir einige Choräle wie z.B. „Christ ist erstanden“ mehr erahnen als wirklich hören. Wir und die Schwestern waren aber trotzdem sehr dankbar.

 

Ansonsten war auf der Station die Hälfte der Planstellen unbesetzt. Schwestern und Ärzte bewegten sich nur im Laufschritt. Es war klar, dass da unverschuldete Fehler und Nachlässigkeiten passieren mussten. Vieles musste man selber machen, was vom Krankheitsbild her eigentlich nicht zulässig war. Fragen und Bitten waren schwer anzubringen, da kaum jemand Zeit hatte.

 

Trotzdem muss man sagen, dass die Schwestern und Pfleger, egal welcher Herkunft, freundlich und bemüht waren und, so gut sie konnten, ihre Pflicht taten. Besonders ist mir der liebe und freundliche Pfleger Johannes in Erinnerung, der mir einmal sehr geholfen hat.

 

Unangenehm aufgefallen ist mir ein deutscher Nachtpfleger, der sich so betont eilig gab, dass er gar nicht erst ansprechbar war, und eine leitende hyperaktive deutsche Schwester, die nur herumraste, unsinnige Befehle an die Patienten erteilte und einen bei geringstem Widerpruch dauerhaft auf ihre Feindesliste setzte.

 

Ein typisches Beispiel für die Situation auf der Station war folgendes: Ich hatte von der Operation noch Klammern im Rücken, die schon längst hätten entfernt werden müssen. Gleich am ersten Tag wies ich darauf hin. Nach ein paar Tagen erinnerte ich die Oberärztin daran. Antwort: Sie hätten die Unfallchirurgie informiert, mehr könnten sie nicht machen. Nach einigen Tagen kam tatsächlich ein Unfallchirurg vorbei, sah sich den Rücken an und sagte, er werde jemanden vorbeischicken. Dabei blieb es. Erst am Tag vor meiner Entlassung gelang es dem netten und verständnisvollen Krankengymnasten, einen Medizinstudenten aufzutreiben, der mir die Klammern enfernte.

 

Die Ärzte auf der Station waren mit ihren Worten kurz und knapp und nur auf ihre internistische Aufgabe konzentriert. Man musste schon sehr konzentriert und kurzgefasst sein, wenn man etwas anbringen wollte.

 

Nachdem sie ihre unmittelbare Aufgabe der Entwässerung erreicht hatten, wurde ich am 08. April schnell wieder entlassen.

Exkurs: Ich bin mit diesem Krankenhaus seit Kindheitstagen eng verbunden. Mein Vater starb hier1940, meine Mutter 1991, und meine Kinder wurden hier geboren. Mit allen Internisten seither war ich fast freundschaftlich verbunden.

Ich war im Freundeskreis dieses Krankenhauses und spendete regelmässig ansehnliche Beträge.

Damit ist jetzt Schluss. Es hat keinen Sinn mehr.

 

Zurück im Pflegeheim wurde ich mit einem freundlichen „Schön, dass Sie wieder da sind“ begrüßt.

 

Das medizinische Personal

 

Ein junger Rettungsanitäter sagte mir: Die ganze schöne Jugendzeit wird uns durch den Dauerstress kaputtgemacht, für Kinder haben wir keine Zeit und auch kein Geld.

 

Eine junge Krankengymnastin sagte mir dasselbe.

 

Eine türkische Krankenschwester sagte mir, ihre Familie habe in Deutschland immer hart gearbeitet, ihr Vater sei auf dem Bau tödlich verunglückt. Auch sie habe immer gearbeitet und was bleibe ihr jetzt?-Wertloses Geld. Ihre deutschen Schwiegereltern seien aus der Kirche ausgetreten, sie aber interessiere sich für den christlchen Glauben. Ich bot ihr mit Freude ein Gespräch an, aber dazu kam es leider nicht mehr.

 

Von verschiedenen Seiten hörte ich: „Sie sind Pfarrer? O wie schön, das hat doch was mit Glaubensfragen zu tun!“ Eine allgemeine Aufgeschlossenheit war durchaus zu spüren.

 

Eine Oberärztin: „So, Sie haben Theologie studiert? Wie schön, das hat ja wohl was mit Religion zu tun?“

Und das in einem ehemals Evangelischen Krankenhaus.

 

„Es ist schlimm, aber wir können nichts machen“, das war die allgemeine Meinung von der Oberärztin bis zum Krankenwagenfahrer bezüglich des Klinik-Personalnotstandes.

 

Vom katholischen Krankenhauspfarrer hörte ich: Es ist sehr schlimm und es wird noch viel schlimmer werden bis zum Zusammenbruch. Und es wird lange dauern, bis wir wieder normale Zustände haben.

 

Seine kirchlichen Zeitschriften habe er alle abbestellt, was darin stünde sei nur „Quatsch“.

 

Während einer Blutentnahme sagte ich zu einem Arzt, dass ich viele Probleme hätte.

 

Er darauf: Doch sicher nicht nur Ihre persönlichen? (Er dachte an die Situation im Krankenhaus.)

 

Ich: Ich weiß, was Sie meinen, ich schreibe Bücher über unsere Zeit.

 

Er: Na hoffen wir, dass es besser wird.

 

Ich: Nicht so schnell.

 

Er: Ja, das glaube ich auch.

 

Der erfahrene, ältere Krankengymnast der Inneren Station sagte mir sinngemäß, die jungen Krankenschwestern täten ihm leid, sie würden ausgebeutet und verheizt.

 

Sie leben meist schon mit einem Freund zusammen, können sich aber aus Zeit- und Geldgründen auch keine Kinder leisten. Der Staat bringt sie so um ihr Mutter- und Familienglück und letzten Endes auch um ihre Zukunft. Dabei wären sie alle prachtvolle und sorgsame junge Mütter – wenn man sie denn ließe.

 

Vor Augen steht mir da besonders eine reizende, junge Slowenin, die der Liebe wegen in Deutschland hängenblieb und hier mit einem deutschen Kriminalkommissar zusammenlebt.

 

Die im Beruf so glückliche und erfüllte Mutter, die sich abends mit um so mehr Kraft und Freude ihren Kindern widmet gibt es vielleicht auch irgendwo, ich habe sie in der Realität nie erlebt.

 

Wenn die Großelterngeneration nicht einspringen kann, sieht die Realität so aus  wie in einem Tageskindergarten in der Nähe eines großen Klinikkomplexes. Dort werden die Kleinkinder morgens um 6 Uhr von den jungen Müttern abgegeben, ob sie krank sind oder nicht, ob sie schreien oder nicht. Dann werden so an die 20 Kinder von den Kindergärtnerinnen widerwillig neu gewindelt. Und so geht es weiter:

 

In Reih und Glied, sachlich und zweckmäßig, wie auch nicht anders zu leisten ist. Wie in einer Kaserne.

 

Gorbatschow hat in seinem Buch „Perestroika“ diese Zustände, wie sie auch in der Sowjetunion jahrzehntelang üblich waren, scharf gegeißelt und für viele Missstände (Trunksucht, Drogensucht, Haltlosigkeit etc.) verantwortlich gemacht. Er forderte eine dringende Umkehr. Bei uns wird so etwas aber  noch als „modernes“ Zukunftsmodell gepriesen. Pure Ignoranz! Jeder Kinderpsychologe kann einem die schlimmen Folgen erklären.

 

Die meisten jungen Mütter wissen das auch und bekommen auch deshalb keine Kinder.

 

Keine Geringere als ausgerechnet die Feministin Alice Schwarzer sagt klipp und klar: Die jungen Frauen werden heute belogen und betrogen, weil man ihnen weismachen will, Kinder und Beruf seien zu vereinen. Das aber stimmt nicht.

 

Theologische Hintergründe.

 

Die tieferen Ursachen für die ganze heutige Misere liegen m. E. in einer weit zurückliegenden falschen Entscheidung.

Früher sah man die Familie als eine Einheit, als eine Stiftung und „Mandat“ (Bonhoeffer) Gottes. Dann begann man unter marxistischem Einfluss, sie als eine zufällige Versammlung von Einzelmenschen zu sehen, die gegeneinander ihre Rechte und Interessen vertreten. Jeder sollte möglichst selbständig und unabhängig sein, insbesondere die Frauen. Bis heute ist überall von „Frauenförderung“ die Rede, niemals aber von Mütter- oder Familienförderung. Die Familien an sich werden ausgeblutet und verlieren an Kraft.

 

Ähnlich ist es mit den sogenannten „Kinderrechten“. Die Fachleute meinen, dass man sie keineswegs über die schon bestehenden Kinderschutzgesetze hinaus braucht. Sie dienen nur dazu, in die Familien hineinzuregieren und auch die Kinder nach marxistisch-totalitärer Art aus der Familie herauszulösen und unter staatliche Kontrolle zu bekommen, also die viel wichtigeren Elternrechte auszuhöhlen. Dann könnte man mit ihnen (den Kindern) viel mehr machen und z.B. ihre Köpfe mit allerhand ideologischem Politmüll füllen.

 

Was nottut, ist also als Erstes und vor allem die Stärkung der traditionellen Familie als Grundlage von allem. Das steht so oder ähnlich übrigens auch im Grundgesetz. Kinder müssen unbedingt und unverzüglich wieder wünschenswert und bezahlbar werden.

 

Familie und Kinder sind übrigens nicht nur ein beliebiges menschliches Desiderat, sondern, wie schon gesagt, eine göttliche Stiftung, ein göttlicher Auftrag. Weicht man von den göttlichen Wegen ab, so gerät man früher oder später, laut Bibel,  in „Jammer und Herzeleid“. Genau das haben wir jetzt.

 

Angesagt ist also das, was von jeher am Anfang jeder Verkündigung stand: Buße und Umkehr. Und das nicht halbherzig. „Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten“. Letztlich geht es um Tod oder Leben. Damit ist nicht zu spaßen.

Aus dieser grundsätzlichen Umkehr heraus, die nicht nur die Familienfrage betrifft , wird sich dann die Heilung in vielen Bereichen wieder von selbst ergeben.

 

Meine politische Bilanz

 

Bei Ludwig Erhard hieß es noch „Wohlstand für alle“. Er wusste noch, nimmt man dem Bürger zu viel weg, dann steht er kurz darauf vor der Tür des Staates und bittet um Hilfe. Wenn er Glück hat, gibt dieser ihm, nach viel bürokratischem Aufwand, etwas von seinem Eigentum huldvoll zurück. So hatte Erhard sich einen freien, selbständigen Bürger nicht vorgestellt.

 

Heute nimmt man dem deutschen Staatsbürger so viel ab, wie es irgendwie geht.

 

Die Löhne sind zu niedrig, die Steuern zu hoch und oft reicht es nicht, obwohl beide Eheleute arbeiten.

Eine ausreichende Altersversorgung kann man sich nicht aufbauen, Kinder nicht leisten.

 

Im Krankenhaus hatte ich reichlich Gelegenheit, schlecht bezahlte, ausgebeutete und gehetzte Existenzen kennenzulernen, auch unter den Ärzten.

 

Die Regierung denkt an „die Menschheit“, an „Europa“ und das „Klima“, nur nicht an den einzelnen schwer arbeitenden und überfordeten Deutschen oder eingedeutschten einzelnen Menschen.

 

Die Menschheit aber ist „in Aufruhr“, wird sich nicht unbedingt an die hiesigen Vorstellungen halten.

Bei Europa denke ich zunächst einmal an das derzeitige Impfdesaster, die riesige Geldvernichtung und Umverteilung, die gottlosen Beschlüsse eines von Nichtchristen dominierten Parlaments und den Fall Buttiglione, dem sein Christsein zum Verhängnis wurde.

 

Von diesem bankrotten Europa, das eigentlich nur Insolvenzverschleppung betreibt, kann ich kaum Zukunftsträchtiges erwarten – es sei denn, die Mehrheitsverhältnisse änderten sich und man würde sich wieder auf Europas Wurzeln zurückbesinnen.

 

Und das Klima? - Na ja, die deutschen Strompreise sind die höchsten in der Welt, gleichzeitig nimmt die bislang hohe Versorgungssicherheit dramatisch ab. Daher sieht der Bundesrechnungshof „die Gefahr, dass die Energiewende in dieser Form den Wirtschaftsstandort Deuschland gefährdet, die finanzielle Tragkraft der letztverbrauchenden Unternehmen und Privathaushalte überfordert und damit letztendlich die gesellschaftl. Akzeptanz aufs Spiel setzt“.

 

Von Angela Merkel sagt ihre frühere Duzfreundin Vera Lengsfeld: Die ist alles andere als eine „Mutti“, sondern kühl bis ans Herz hinan.

 

Aus mehreren Quellen verlautet, dass ein früherer Bundesminister gesagt haben soll: Der Merkel ist das Volk doch scheißegal. (Da trifft es sich ja gut, wenn man mit einer Partei koalieren will, deren Vorsitzender sagte: Volk ist ein böser Begriff aus der Nazizeit, es gibt kein Volk.)

 

Nicht nur Donald Trump, den man hierzulande nur als Hassfigur und Politdepp zeichnete, sondern auch mehrere andere führende Staatsmänner sind der Meinung, dass Merkel Deutschland ruiniert.

 

Ich selber halte sie für hartherzig, völlig unpatriotisch, linksideologisch immer noch verblendet und in der Substanz nicht wirklich für christlich. Mehrfach hat sie nach der Wahl anders gehandelt, als sie vor der Wahl versprochen hatte. Das gilt auch für ihre Zeit als Familienministerin, wo sie keineswegs die weiter oben skizzierte christl. Familienpolitik verfolgte.

Letztlich ist der tiefste Grund der ganzen heutigen Misere wieder die Abweichung von der göttlichen Sinngebung und den göttlichen Geboten.

 

Schon vor langer Zeit sagte Antoine de Saint Exupery „Der Mensch hat keinen Sinn mehr. Doch was wird aus uns in dieser Epoche eines allgemeinen Funktionärtums? Der Epoche des Robotermenschen, des Termitenmenschen... des Menschen, der seiner ganzen Schöpfungskraft beraubt wurde.... Es geht um den Sinn des Menschen, und es ist keinerlei Antwort angeboten; so habe ich den Eindruck, dass wir den schwärzesten Zeiten der Weltgeschichte entgegengehen.“

Wer sich näher für die weltweiten Zusammenhänge interessiert, sollte unbedingt die drei Bände „ Wie der Teufel die Welt regiert“ lesen. Sie sind bei Epoch Times erschienen und von anonymen chinesichen Wissenschaftlern geschrieben worden.

 

Meine kirchliche Bilanz

 

Der Philosophieprofessor und Theologe Dr. Thomas Sören Hoffmann schrieb kürzlich in einem Artikel: Er erwarte seit langem von den landeskirchl. „Religionsbehörden“ keine geistl. Wegweisung mehr. Vielen seiner Kollegen ginge es genauso.

Die Landeskirchen haben sich praktisch von den Bekenntnissen der Christenheit entfernt. Auch von der Barmer Erklärung („Jesus Christus ist das eine Wort Gottes an uns...“). Von eigener, wirklicher Schuld und Sünde ist nie die Rede, wohl aber von der der Vorfahren und anderen Leuten. Man paktiert mehr und mehr mit dem Islam, den Luther bestens kannte und schärfstens ablehnte. (Er wollte den Koran als Abschreckung für die Deutschen übersetzen.)

 

Ich habe auch den Eindruck, dass bei den Kirchenführern keine soliden Kenntnisse vorhanden sind. Weder kennt man ausreichend die Schriften des Islam, noch die der innerislamischen Kritiker. Jedenfalls habe ich niemals erlebt, dass die Kirche kritische Denker jemals ernsthaft und würdigend zur Kenntnis nahm.

 

Über die Unbedarftheit und Naivität mancher kirchlichen Äußerungen bin ich erschüttert, auch als Religionswissenschaftler.

 

Den Kirchenführern schwebt offenbar eine pluralistische Zivilreligion in Deutschland vor, die jeder Religion die gleichen Rechte gewährt, aber die eigene Religion damit einschränkt. Das wird aber höchstens zeitweise funktionieren, das christliche Abendland aber schwer beeinträchtigen.

 

Im Mittelmeer sucht der EKD-Ratsvorsitzende mit seinem 1,5-Millionen-Schiff „Sea Watch“ unter der Flagge der Antifa (!!!) und in faktischer Zusammenarbeit mit den Schlepperbanden nach weiteren Sozialfällen, obwohl die eigenen Leute überfordert sind und unter der Last zusammenbrechen.

 

Er selbst hält sich sicher für barmherzig und christlich, ich aber halte ihn für wirklichkeitsfremd, linksideologisch verblendet, herzlos gegenüber den weit überforderten Landsleuten, als Sozialdemokrat mitschuldig an der falschen Familienpolitik und theologisch falsch orientiert, also für einen blinden Blindenleiter.

 

Insgesamt gesehen ist in der Kirche ein innerer Schrumpfungs- und Zerstörungsprozess in Gange.

Gemeinden werden zu Großgemeinden zusammengefasst, die Verwaltung vergrößert und die Zahl der Pfarrstellen verringert.

 

Meine eigene, einst blühende Gemeinde, ist heute einer Großgemeinde eingegliedert. Pfarrstellen wurden aufgelöst. Es finden nur noch wenige und unregelmäßige Gottesdienste statt. Die Dorfkirchen sind fast ungenutzt, die Zahl der Hausbesuche natürlich wesentlich reduziert.

 

Die Pfarrerschaft wird ausgenutzt und unpfleglich behandelt, die Theologiestudenten ebenfalls. Sie werden nach einem langen und aufwendigen Studium und zwei Examen noch einem dritten und vierten Auswahlverfahren ausgesetzt und laufen Gefahr, unbarmherzig auf die Straße gesetzt zu werden.

 

Trotdem tun die meisten Pfarrer immermnoch und gerne ihre Pflicht.

 

Auch ich wurde im Krankenhaus von einer lieben, stillen und einfühlsamen Krankenhauspfarrerin besucht.

 

Es gibt auf die Zimmer übertragene Gottesdienste, Abendmahlbesuche und vielerorts könnte man noch denken, es liefe mehr oder weniger alles normal weiter. Auch viele Pfarrer denken, das müsste alles so sein und wäre der gegenwärtigen Notlage geschuldet. Sie mucken daher nicht auf. Nur sehr wenige haben einen geistlichen Gesamtdurchblick.

Meine Familie und ich freuten uns in dieser Notzeit sehr an den trostreichen und liebevoll gestalteten Video- und Fernsehgottesdiensten aus der St. Jürgen Kapelle in Lübeck.

 

Auf Bitten meiner Kinder wurde hier sogar in einem öffentlichen Gottesdienst für mich gebetet. Wir waren tief dankbar.

 

Meine geistliche Bilanz

 

Eines war mir klar: Jesus Christus ist, um mit dem Katechismus zu sprechen, „unser einziger Trost und einzige Hoffnung im Leben wie im Sterben“. Ohne ihn gibt es im weiten Weltall nichts, nichts und noch einmal nichts.

Das Evangelium ist von unglaublicher Tiefe und reicht auch in die tiefsten Abgründe des Todes. Es gibt nirgendwo etwas Vergleichbares.

 

Ich ging ins Krankenhaus ohne jegliche geistliche Literatur, nicht einmal die Bibel nahm ich mit.

 

Ich hatte alle einschlägigen Bibelstellen und Gesangbuchverse im Kopf.

 

Gelegentlich bat ich um ein Wunder. Und vielleicht sind die auch eingetroffen. (Operation wider aller Regeln, weitgehende Schmerzfreiheit, Unterbringung im Pflegeheim .)  Z.B. dachte ich an den Spruch „Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen.“

 

Oder an den Liedvers: „Mach' End oh Herr mach' Ende mit aller unserer Not, stärk' uns're Füß' und Hände und lass' bis in den Tod uns allzeit deiner Pflege und Treu empfohlen sein, so gehen unsere Wege gewiss zum Himmel ein“.

 

Mögen spätere Generationen auch noch einen solchen geistlichen Schatz haben.

 

Pfr. i. R Dr. Hans-Alex Thomas
(*1931) war Pfarrer in Koblenz und Kastellaun (Hunsrück). Heute ist er in Koblenz zu Hause.