Der Theologe Hans-Joachim Barkenings (1933 – 2016) war mein Kollege. Ich erinnere mich gut daran, wie er in den siebziger Jahren uns Studentenpfarrern bei einem Pastoralkolleg in Rengstorf einen Abend lang eine Auswahl seiner Aphorismen und seiner Gedichte vorlas.
Es war die Zeit, als die achtundsechziger Aufbrüche ausliefen, als „alternativer Lebensstil“ das Programm der Stunde war. Ich habe nicht vergessen, was Hajo, wie er allgemein von uns angeredet wurde - bescheiden lächelnd, fast entschuldigend – zur Einführung sagte: „Jeder will heutzutage kreativ sein; die einen töpfern, andere malen, wieder andere lernen stricken. Da wollte ich gerne mitmachen und auch kreativ werden. Aber töpfern, malen, stricken – das kann ich nicht. Ich habe nur gelernt, mit dem Wort zu arbeiten. So habe ich angefangen, Aphorismen und Gedichte zu schreiben.“
Uns hat es damals den Atem verschlagen, was Hajo uns vortrug. In einem Satz vernahmen wir komprimierte Zeitanalyse, Gesellschaftskritik, engagierte Standpunkte. In wenigen, bewusst gesetzten Worten Wahrnehmung der Umwelt, Selbstbeobachtung, Empfindung.
Lungen
filtern moderduft
noch ungestorbener tode
schaudernd
entdecken wir
unsere bestimmung
gelebt zu haben
wird strafbar bleiben
das urteil ergeht
in letzter instanz
So wie damals in Rengsdorf hatten wir Hajo noch nie erlebt, sondern immer als nüchternen, überlegten, manchmal wortkargen Theologen, der sich an der Schuld Deutschlands und des deutschen Protestantismus am Holocaust abarbeitete, sich für Abrüstung und Frieden engagierte und im Übrigen in kirchenleitenden Positionen stille Kärnerarbeit leistete.
Einige seiner poetischen Texte hat Hans Joachim Barkenings seinerzeit in kleinen Broschüren veröffentlicht. Manches andere schenkte er Freunden. Einiges fand man in seinem Nachlass. Okko Herlyn, mit dem er jahrelang literarische Abende gestaltete, hat nun eine wohl komponierte Sammlung dieser meisterhaften Miniaturen herausgegeben.
Auf der Rückseite des Covers liest man: „Eindringliche Bildfragmente wechseln mit wörtlichen Alltagsfetzen, zarte, verletzliche Impressionen mit eruptiven, gar ordinär erscheinenden Benennungen des Banalen. Inhaltlich geht es um die vielfachen Erfahrungen mit der deutschen Geschichte, um die immer wieder anklingende Beziehung zu Israel, um Liebe, Anfechtung und Tod.“
Und um fragenden Glauben:
STRASSE NACH EMMAUS
distanz der verzweiflung
auf jeder meile
das grab einer hoffnung
ein weg in die nacht
ehe der tag sich neigt
geht einer mit
ehe der abend kam
brannte das herz